Am 25. Juni führte, veranstaltet von der International Academy of Media & Arts (IAMA), der erste #DigitalTalk zum Thema “Genie oder Handwerk – Kann man das Komponieren von Filmmusik erlernen?” als Teil einer Weiterbildungsinitiative der IAMA, im Rahmen der jährlichen Filmmusiktage (Herbst 2021) in die Veranstaltungsreihe Filmmusik AKTUELL ein.
Unter der Moderation von Prof. Dr. Susanne Vollberg und Prof. Dr. Georg Maas kamen von 18 bis 20 Uhr Expert*innen und Nachwuchstalente zusammen, um Einstiegswege in die Filmmusik-Branche zu diskutieren. Während die Moderator*innen ihre Fragen vom Panorama-Saal im Mitteldeutschen Medienzentrum in Halle aus stellten, konnten die Talk-Teilnehmer*innen über ZOOM ihre Gedanken äußern. Diese wurden eifrig vom Publikum verfolgt, welches im Chat Fragen zur Thematik stellen konnte.
Zum Einstieg wurden die Teilnehmer*innen der DigiTalk – Runde näher vorgestellt. Mit dabei waren Christine Aufderhaar, Micki Meuser, Ulrich Reuter, Freya Arde und Franziska May.
Als erstes widmete Christine Aufderhaar sich als international erfolgreiche (Filmmusik-)Komponistin und Vorstandsmitglied der DEFKOM der Frage, wie der Berufsalltag für sie als Filmkomponistin aussieht. Christine erklärte, dass sich durch Corona bei ihr einiges verschoben hätte, wodurch sie auch mal an mehreren Projekten gleichzeitig, oder auch länger säße. Wie an ihrem aktuellen Projekt, der Musik zu einem 80-minütigen Animationsfilm. Generell sei es aber so, dass sie Aufträge durch Empfehlungen erhalte und nicht mehr die Produzent*innen selbst anrufen würde, wie zu ihrer Studentenzeit am Berklee College of Music in Boston, USA.
Auf die Frage, wie man als Studentin schon so erfolgreich sein kann, die sich gezielt an Franziska May richtete, antwortete die talentierte Komponistin, dass viel ihrer Arbeit für einen Kurzfilm gefolgt sei. Dadurch hätte sie neue Empfehlungen als Nachwuchstalent sowie Aufträge gewonnen, wie für einen aktuellen Spielfilm des SWRs. Mit ihren jungen Jahren arbeitet Franziska mittlerweile, parallel zum Studium, für Film und Fernsehen. Zum Soundcloud-Account von Franziska kommt ihr HIER.
Weiter ging es mit dem erfolgreichen Filmkomponist Ulrich Reuter, welcher als Professor in Babelsberg etwas zu den Voraussetzungen für ein Filmmusik-Studium erklärte. So hätten viele Bewerber*innen schon davor die musikalischen und dramaturgischen Grundlagen erlernt. Mit dem Filmmusik-Studium würden sie dann die Brücke zum Film schlagen. Wichtig sei besonders das Verständnis vom Bild-Ton-Verhältnis. Durch eine Mappe mit Arbeitsproben wäre man dann in der Lage, dies zu erkennen. Dabei werde vor allem Wert auf eine Diversität in der Auswahl der Bewerber*innen gelegt.
Unter anderem sei es eben diese Diversität, die Freya Arde am Studiengang Filmmusik der Hochschule Babelsberg immer noch schätze. Als erfolgreiche Filmkomponistin, Musikproduzentin und beste Newcomerin des deutschen Filmmusikpreises 2016 erinnert sie sich gern an ihr Master-Studium in Babelsberg zurück. Dort hätte es, im Gegensatz zu anderen Hochschulen, eine große Offenheit und kreative Freiheit gegeben, wodurch eine inspirierende, gegenseitige Befruchtung möglich war. Ihrer Meinung nach sollte man als Voraussetzung schon das Komponieren und ein gewisses Portfolio zum Studium mitbringen. Neue Inspiration und vor allem viele Kontakte könne man dort sammeln.
Hört euch HIER Freya‘s EP Spirit Awake an!
Leider wird die Bedeutung der Filmkomponist*innen in Deutschland noch häufig missachtet. Alle Teilnehmenden betonten, wie essentiell das Einfordern einer angemessenen Entlohnung, besonders für aufstrebende Komponist*innen sei, um sich in der Branche zu etablieren und nicht den Wert der eigenen Arbeit zu missachten. Micki Meuser erwähnte hierbei die Notwendigkeit eines Berufsverbandes für Filmkomponist*innen, wie eben die Deutsche Filmkomponist*innen Union, kurz DEFKOM.
Oft genug käme es dazu, dass der Filmmusik als Bestandteil des Films kaum Wertschätzung entgegengebracht und sie im Budget nicht mit bedacht werde, so Micki.
Auch werde in der Branche nicht mit festen Tarifen gearbeitet, was den Austausch untereinander, in den Foren des Berufsverbandes, unverzichtbar mache. Mitglieder hätten die Möglichkeit sich über die branchenüblichen Preise in verschiedenen Genres, Lang-und Kurzfilmen sowie verschiedenen Fernsehformaten zu informieren und somit auch die Chance, gegen Niedriglöhne anzugehen.
Aber wann wäre ein Studium mit z.B. filmmusikalischem Schwerpunkt sinnvoll?
Ulrich Reuter beschrieb das Studium an der Universität Babelsberg als sehr intensiv und kurz; auch Freya Arda empfahl die Erfahrung vor allem denen, die keinen normalen Berufsalltag mit festen Stunden erwarten, die Musik voll und ganz leben. So biete sich das Studium für Musikbegeisterte an, denen hier die Möglichkeit geboten wird, Kontakte zu knüpfen, in verschiedenen Disziplinen zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu inspirieren.
Allerdings sei nicht allein die musikalische Ausbildung, sondern auch die Fähigkeit, einen effektiven Dialog mit anderen Filmberufen eingehen zu können, sowie das Verteidigen der eigenen Arbeit entscheidend für Erfolg in der Branche, fügte Micki Meuser hinzu.
Dennoch seien auch Künstler*innen in diesem Bereich abhängig vom Marktgeschehen und aktuellen Trends. Christine Aufderhaar riet dazu, besonders in Deutschland an einem sehr vielseitigen Repertoire zu arbeiten und den eigenen Horizont stets zu erweitern. Und da in beiden Feldern sehr unterschiedliche Konventionen gelten, sollte außerdem zwischen Kino- und TV-Produktionen unterschieden werden, meinte Franziska May; je nach Format existiere mehr oder weniger künstlerischer Freiraum.
Aber wie geht man am besten an eine Komposition heran, bei welcher ein visueller Kontext oft richtungsweisend und von großer Bedeutung ist? Bereits an den Methoden zur ersten Betrachtung und Analyse des Bildmaterials schieden sich die Meinungen der Anwesenden. Eine rationale Herangehensweise, zuerst die Essenz des Films bestimmen, seine Psychologie wahrnehmen und erst später intuitiv auf den Film reagieren stellte sich gegen einen direkt intuitiven, gefühlvollen Ansatz, der vor allem erste Impulse auffangen und diese erst später auswerten sollte. Christine Aufderhaar beschrieb es als Gesamtgefühl, ein “aus dem Bauch heraus arbeiten” und schreibe aus diesem Gefühl heraus alles auf, was ihr unmittelbar in den Sinn käme. Konsens ergab sich allerdings darüber, dass das Material am besten mehrmals, fünf bis sechs mal, allein, ohne jeglichen Ton und mit vollster Aufmerksamkeit rezipiert werden sollte. Komponist*innen könnten hierbei mit frischem Blick einige Momente besonders hervorheben, die den Augen der Regie eventuell entgangen sind.
In Sachen Computerspiele gäbe es laut Micki keine große Abweichung bei der Produktion der Musik. Lediglich müsse man auf die höhere Anzahl der Cuts in der Storyline sowie auf den finanziellen Unterschied achten. Bei PC-Spielen gäbe es nur einmalig bei Produktion der Musik ein Honorar bzw. eine Gage, die wirkliche Verwendung des Mediums werde nicht bezahlt.
Gibt es Trends in der Filmmusik? Freya meinte ja. Es kämen immer wieder neue Trendwellen auf, wie z. B. durch die Serie „Stranger Things“. Stets kämen neue Einflüsse hinzu und beeinflussten somit auch die zukünftige Filmmusik. Eine starke Wirkung besäße vor allem die stärkere Nutzung von Sounddesign und musikalischer Software bzw. Vorlagen. Dadurch könnten viel mehr, halbwegs talentierte Komponist*innen zur Konkurrenz werden, meinte Ulrich. Die Meinung aller Teilnehmer*innen stellte Christine Aufderhaar nochmals klar: eigenes intuitives Arbeiten, ganz ohne technische Helferlein, führe eher zum Erfolg und werde besser beurteilt.
Auf die Frage aus dem Publikum, ob und wie Newcomer-Komponist*innen auch schon bei größeren Projekten mitarbeiten könnten, verwies Micki Meuser auf das Forum der DEFKOM. Dort würden oft Anzeigen nach Assistenz- und Praktika-Stellen veröffentlicht. Bei Interesse könne man sich gern bei der DEFKOM melden.
Bei der Frage, wie am besten Aufträge zu bekommen seien, waren sich alle einig: es benötige eine gut klingende Sammlung an Musikstücken, die überzeugen müsse. Franziska bezeugt, sie führe seit Beginn ihres Studiums solch ein eigenes musikalisches Showreel. Dessen Pflege auf ihrer Website und anderen Portalen empfinde sie jedoch als sehr zeitaufwendig und etwas hinderlich bei der eigentlichen Arbeit als Komponistin. Freya pflegte ihr bei, betonte jedoch, dass solche Plattformen, besonders die Streaming-Anbieter, sehr wichtig sind. Denn dadurch könnten vor allem Filmverantwortliche auf die eigene Person aufmerksam werden und gemeinsame Projekte anfragen.
Zuletzt wurde die Frage nach Wunschprojekten gestellt, welche die Diskussionsteilnehmer*innen zukünftig gern noch umsetzen würden. Dabei waren die Antworten sehr breit gefächert – vom eigenen Song produzieren, endlich mal einen Science-Fiction-Film vertonen, bis hin zu einem eigenen Kinderfilm. Freya fühle sich besonders durch Filme wie „Lady Bird“ und „Call Me by Your Name“ inspiriert und möchte irgendwann einmal die Musik für einen ähnlichen Film komponieren. Ulrich freute sich bereits über eines seiner Wunschprojekte. Bald starte ein großes Theaterprojekt, bei dem sehr viel begleitende Musik entstehen soll.
Man kann also sehr gespannt sein, was die Zukunft für die Filmmusik sowohl in Deutschland als auch international bringen wird und welche interessanten Projekte entstehen werden.
Wir freuen uns bereits jetzt schon, alle Teilnehmer*innen des Digital-Talks auch im November (hoffentlich dann persönlich) bei uns in Halle begrüßen zu dürfen!